Lotta ist kerngesund – dank einer Lebersplittransplantation
Ein paar Wochen nach der Geburt hat Baby Lotta ungewöhnliche blaue Flecken. Sie ist leberkrank, ihre Gallengänge müssen operiert werden. Der Eingriff stabilisiert vorerst, dennoch ist bald darauf eine Lebertransplantation nötig.
Heile Welt – ein lichtdurchflutetes Haus, perfekt aufgeräumt, 4 lachende Mädchen im Spielmodus, zufriedene Eltern. Clivia und Jonas Spörri sind seit 22 Jahren ein Paar und wohnen seit 2011 im idyllischen Bennwil im Oberbaselbiet. 2014 kommt ihre erste Tochter Hanna zur Welt, 2021 folgt die jüngste, Lotta.
Gelbliche Färbung und blaue Flecken
«Lotta kam ganz gesund auf die Welt», erinnert sich Mutter Clivia. Die Apothekerin ist im Mutterschaftsurlaub, als bei Lotta mit 9 Wochen plötzlich kleine blaue Flecken am Rücken, auf den Armen und in den Kniekehlen auftreten. Die Kinderärztin schickt Clivia kurzerhand direkt von der Praxis ins Universitäts-Kinderspital nach Basel. Nach den Untersuchungen und dem Ultraschall steht fest: Lotta muss sofort von Spezialisten weiter untersucht werden – in Genf. «Wir hatten am Morgen ein gesundes Kind und am Abend ein sterbenskrankes», fasst Vater Jonas die Gefühle zusammen. Er packt mit den 3 grossen Mädchen das Nötigste und bringt Clivia die Sachen ins Spital. Lotta braucht dringend Blutplasma, da ihre Blutgerinnung nicht mehr funktioniert. Ein Unfall hätte für sie in diesem Moment tödlich enden können.
Warten in Genf wegen Corona
Schon am nächsten Tag fliegen Clivia und die kleine Lotta im Sonnenaufgang mit dem Helikopter ins Kinderleberzentrum nach Genf. «Ich hatte keine Zeit, mir Sorgen zu machen, ich musste funktionieren. Und wir waren jederzeit sehr gut betreut», betont die Mutter, «wir möchten den Piloten, den Reinigungskräften, dem Pflegepersonal und dem Ärzteteam aus Genf und Basel ein Kränzchen winden». In Genf muss Frau Prof. Wildhaber (siehe Interview) die Untersuchungsoperation der Gallengänge kurzfristig verschieben, weil coronabedingt Personal ausfällt. Vater Jonas und die Geschwister reisen nach Genf zu Mutter Clivia und Lotta nach, sie bleiben ruhig, spazieren am Fluss, warten. Die Familie wohnt in einer von der Vereinigung APAEG zur Verfügung gestellten Wohnung. Lottas Gallengänge funktionieren nicht, aber sie ist stabil.
Trotz neuer Verkabelung Wasser im Bauch
Nach einer Woche findet die Untersuchungsoperation statt. Lotta hat eine Gallengangsatresie. Ihre Gallenwege sind verschlossen, die Giftstoffe können nicht abfliessen, die Leber arbeitet nicht richtig. Prof. Wildhaber «baut» in einer sogenannten Kasai-Operation mit einem Stückchen Darm einen neuen «Schlauch» zwischen Leber und Darm, damit alles wieder normal aus der Leber abfliessen kann. Nach der OP bleibt Lotta 10 Tage im Spital. Zuhause gehen die Werte in die richtige Richtung, stagnieren jedoch und werden schlechter. Bei einer Kontrolle ein paar Monate später wird eine vernarbte Leber und eine krankhafte Ansammlung von Flüssigkeit im Bauchraum diagnostiziert. Die Leber vergrössert sich massiv und ist stark geschädigt. «Nun gehen wir gemeinsam den Weg der Transplantation», eröffnet Prof. McLin.
Lotta kommt auf die Warteliste
«Wir wussten, dass circa 80 % der Betroffenen nach einer Kasai-Operation eine Transplantation brauchen», sagt Clivia. Die Voruntersuchungen für die Transplantation finden statt, Lotta kommt auf die Warteliste. Die Wartezeit zieht sich Monate hin. Spörris treffen sich mit anderen Betroffenen der Elternvereinigung lebererkrankter Kinder (EvlK), fassen Mut. «Es hat uns gutgetan, andere Familien nach einer geglückten Transplantation zu sehen.» Ihren Organspendeausweis haben Clivia und Jonas schon vor Jahren ausgefüllt. Eine Lebendspende kommt laut den Expertinnen nur im äussersten Notfall in Frage, das Risiko sei zu gross. «Muss jetzt ein Kind für Lotta sterben?, hörten wir oft. Nein, Lotta darf auch ein Leberteilchen eines verstorbenen erwachsenen Menschen erhalten, den Rest der Leber erhält ein Erwachsener. Dass wir bei einer möglichen Splittransplantation keinem anderen Empfänger etwas wegnehmen, war für uns eine schöne Vorstellung.» Die Wartezeit geht weiter. Einmal pro Monat erhält Lotta bei der Kontrolle in Genf Vitamine gespritzt, daheim muss sie seit der Kasai-Operation täglich Medikamente zu sich nehmen.
Lebersplit rettet 2 Leben
Lottas Schwestern gehen unterschiedlich mit der Situation um. Die Älteste interessiert sich sehr für Anatomie, die Zweite erzählt ihren Freundinnen das Erlebte, die Dritte folgt der Mama auf Schritt und Tritt. «Sie haben begriffen, dass Lotta krank ist und nichts dafür kann», so die Mutter. Die Eltern strukturieren ihre Familienorganisation neu und passen ihre berufliche Situation an, damit Familie und Beruf mehr auf beide Eltern aufgeteilt wird. Spörris warten 9 Monate, das Handy immer in Griffnähe. Der erlösende Anruf kommt im Frühling 2023: Das Genfer Team hat eine passende Spendeleber. Spörris fahren mit der Sanität nach Genf, um 4 Uhr in der Nacht geht es los. Der linke, kleinere Leberlappen der Spendeleber wird Lotta transplantiert, den rechten, grösseren Leberlappen erhält eine erwachsene leberkranke Person. «Durch das Teilen der Spendeleber erhalten gleichzeitig 2 Menschen ihr lebensrettendes Organ», sagt Clivia voller Demut.
Neue Leber, geschwächtes Immunsystem
Nach 14 Tagen ist Lotta wieder zuhause, die Leberfunktion stabil. Turbulenzen bringen ein Rotavirus und wenig später eine beginnende Lungenentzündung, denn «wie nach jeder Transplantation war auch Lottas Immunsystem durch die immunmodulierenden Medikamente am Boden», erklärt die Apothekerin. Lotta kommt notfallmässig ins Kinderspital nach Basel, dann nochmals nach Genf. Wieder zuhause muss sie zu den bisherigen Medikamenten ein zusätzliches Antibiotikum einnehmen.
Happy End dank Engeln
Jetzt lebt Lotta ganz normal, nimmt täglich pünktlich zweimal Immunsuppressivum ein, muss aktuell monatlich zum Hausarzt und alle 3 Monate zur Kontrolle nach Genf. «Wir sind glücklich, dass es bis heute zu keinen grösseren Komplikationen kam», blickt Jonas zurück. «Dass Lotta keinen Spitalablöscher hat, ist den Engeln in Genf zu verdanken», sind sich die Eltern einig. «Ohne sie und ohne die Organspende wäre Lotta früher oder später gestorben.» Nun ist die Welt für Hanna, Eva, Ina und Lotta wieder heil – wie das Akronym aus ihren Vornamen.
Stoffwechselzentrum des Körpers
Die Leber ist das zentrale Organ des gesamten Stoffwechsels und wiegt bei Erwachsenen ungefähr 1.5 bis 2 Kilo. Sie befindet sich im rechten Oberbauch und ist in 2 Hauptlappen unterteilt. Die wichtigsten Aufgaben der Leber sind die Umwandlung, Speicherung und Freisetzung von Zuckern und Fetten sowie die Produktion von Eiweissen. So stellt die Leber z. B. Gerinnungsfaktoren her, die für die Blutgerinnung unverzichtbar sind. Dazu kommt die Gallenproduktion zur Fettverdauung und Ausscheidung von Medikamenten und Giftstoffen. Die Leber ist eine Fabrik zur Verwertung der Nahrung und eine Kläranlage des Körpers. Sie ist sehr gut durchblutet und kann als einziges Organ sogar innerhalb kurzer Zeit wieder fast vollständig nachwachsen. Die Leberdurchblutung und Gallenwege sind aufgeteilt wie bei einem Baum mit seinen Ästen. Dies macht es möglich, die Leber relativ einfach zu teilen und so die 2 Leberlappen an 2 Empfängerinnen und Empfänger zu transplantieren – einen sogenannten Lebersplit.
Folgende Erkrankungen schädigen die Leber und können zu einem Leberversagen führen:
- Fehlbildungen der Gallenwege
- angeborene Stoffwechselerkrankungen
- Vergiftungen durch Medikamente oder Pilze
- Hepatitis B und C
- Autoimmunerkrankungen
- übermässiger Alkoholkonsum
- Fettleber
- Tumore
Leberversagen ist rasch tödlich
Ist die Leber stark geschädigt und eine Heilung nicht mehr möglich, ist eine Transplantation notwendig. Bei einem schweren Leberversagen drängt die Zeit, da die Leberfunktionen nicht künstlich ersetzt werden können, wie es zum Beispiel bei einem Nierenversagen mit der Dialyse möglich ist.